Dienstag, 12. Januar 2010

Der fremde Mann

Allein steigt er ein, nimmt Platz.
Zu scheu den Menschen in die arbeitswütigen und wütenden Augen zu schauen, blickt er zu Boden. In seiner Traurigkeit murmelt er vor sich hin.
"Menschenmaterial."
"Automaten."
"Es gibt doch so viele Möglichkeiten!"

Das Unbehagen der anderen Fahrgäste hängt sirupartig in der Luft.
Greifbar. Zäh. Ein Klumpen aus Mitleid, Ekel und Selbsterhöhung.
Zum Pflücken bereit.

Seine liebevollen Augen, die Geschichten der Enttäuschung erzählen,
schauen an das dreckige Fenster.
Mit kritischem Blick beäugt er sein Spiegelbild,seine Haare in Form bringend.

Die naive Hoffnung, mit einem netten Blick und einem Lächeln Licht in seinen Tag zu bringen,keimt auf. Doch ich tue nichts. Schaue beschämt zur Seite und blicke in sein Spiegelbild an der Fensterscheibe - meinem Schutzschild, meiner Scheuklappe.

Er murmelt weiter, einen jeden von uns ansprechend,
und erntet nichts als Verurteilung,
der Mann, der mit wenigen Worten klar macht, dass er uns kennt,
uns Fremde, die wir uns nicht eingestehen wollen, was wir geworden sind. Menschenmaterial. Automaten. Funktionierend.

Dann steigt er aus und neue fremde Menschen umringen mich.
Was bleibt ist der Geruch aus Nikotin, Schweiß und Einsamkeit.
Und die wage Erinnerung an einen Geist, dessen Atem sich betäubend auf mein Herz gelegt hat.

Und mit jeder Sekunde, die verstreicht, verliere ich mich im Strudel des Alltags, betrübt, nicht wissend was mein Herz schwer macht, weil ich ihn vergessen habe, den alten, traurigen Mann mit so viel Liebe in den Augen,
weil ich ihn verdrängt habe, den fremden Mann, der mich kannte.

Samstag, 9. Januar 2010

Den Tränen nah




You want to be real, you want to be empty inside
You want to be someone laying down your pride
You want to be someone someday
Then lay it all down before the king

You want to be whole, you want to have purpose inside
You want to have virtue and purify your mind

You want to be set free today
Then lay it all down before the King

Freitag, 1. Januar 2010

Nur eine Zahl

Alle Jahre wieder verfalle ich am Silvestertag der Euphorie und Vorfreude auf den Beginn des neuen Jahres.
Neues Jahr - neues Glück, die Chance auf einen Neuanfang, auf einen "sauberen" Start.
Die Silvesterknaller sollen mir das Signal geben mich mit überschwänglicher Motivation an die Liste der Vorsätze
heranzuwagen. Und selbst an die weniger leichten Ziele denk ich - am letzten Tag des Jahres - positiv gestimmt.
Und dann wache ich nach einer durchzechten Nacht in meinem Bett auf, mit einer Enttäuschung im Herzen, weil sich immer noch alles so anfühlt, wie im letzten Jahr, denn alles, was sich geändert hat, ist die Jahreszahl und nicht mein Leben.